Abtei Michaelsberg Siegburg

Der gregorianische Gesang

als fester Bestandteil der Anbetung.

Gebete und Gesänge der Benediktiner

Tondokumente: Geistliche Musik - Von der Gregorianik zum Barock

Diese einzigartigen Tonaufnahmen wurden 1975 im Rahmen des 900. Todestages vom hl. Anno aufgenommen. Es singen die Benediktiner der Abtei Michaelsberg, aufgenommen in der Abteikirche. 

Die Originalaufnahmen wurden später aufwendig restauriert und digital überarbeitet. Dennoch konnten nicht alle Aufnahmefehler behoben werden, die zu kurzen Störungen führen können. 

Die Rechte an den Aufnahmen liegen beim Verein der Benediktiner vom Michaelsberg e.V. bzw. bei dessen Rechtsnachfolger. Die Vervielfältigung, Aufführung oder Sendung bedürfen der schriftlichen Zustimmung durch den Rechteinhaber. 

Die Ausführungen zu den einzelnen Musikstücken stammen von Bruder Simeon OSB (Dr. Thorsten Gubatz) aus der Benediktinerabtei Gerleve.

 

1. Catholicae fidei (2'46)

„Catholicæ fidei“ ist das 1. Responsorium der 1. Nokturn aus den Vigilien eines Anno-Offiziums der Benediktinerabtei Siegburg (entstanden vor 1183, Manuskript heute in Düsseldorf, Universitäts- und Landesbibliothek, Hs G 5). 

Catholicæ fidei cultor pervigil Anno
ministerii sui memor opus assumpsit evangelistæ,
curæ suæ terminos peragrans
et sacri verbi semina circumquaque dispergens.

Arguebat, obsecrabat, increpabat
in omni patientia et doctrina,
curæ suæ terminos peragrans
et sacri verbi semina circumquaque dispergens. 

Text in: Placidus Mittler OSB, Zwei Handschriften mit dem Offizium zu Ehren des heiligen Erzbischofs Anno von Köln, Siegburger Studien 1 (1960), 61-104, 88-96, hier 88. – Deutsche Übersetzung dort: „I. Resp.: Anno war ein wachsamer Hüter des katholischen Glaubens, und eingedenk seines Amtes verkündete er das Evangelium. Er durcheilte den Sprengel, der seiner Hirtensorge anvertraut war, und streute überall den Samen des heiligen Wortes aus. V. Er rügte, er flehte, er strafte in aller Geduld und Lehrweisheit.“ (Mittler 1960, 89) 

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2. Gloriosus sacerdos (3'05)

 „Gloriosus sacerdos“ ist das 3. Responsorium der 2. Nokturn aus den Vigilien desselben Offiziums.

Gloriosus sacerdos Anno
multis carismatum donis præditus
etiam spiritum prophetiæ meruit
adamato regi mortem prædicens
ac ventura suis annuntians.
 
Requievit Spiritus Domini
super hunc humilem et quietum et trementem sermones eius,
adamato regi mortem prædicens
ac ventura suis annuntians. 

Text in: Mittler 1960, 88-96, hier 92. – Deutsche Übersetzung dort: „III. Resp.: Der glorreiche Priester Anno war mit vielen charismatischen Kräften begabt und besaß auch die Gabe der Weissagung. So sagte er dem geliebten König [Fn.: Heinrich III.] den Tod voraus und verkündete den Seinen zukünftige Dinge. V. Der Geist des Herrn ruhte auf diesem demütigen, bescheidenen und gottesfürchtigen Mann [ergänze: in seinen Reden].“ (Mittler 1960, 93)

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3. Audi salus (3'25)

„Audi salus“ ist ein Hymnus aus einem Anno-Offizium des Kölner Stiftes St. Maria ad Gradus zwischen Dom und Rheinufer (entstanden zwischen 1353 und 1358, Manuskript heute in Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Hs 226). Dieser Hymnus wurde in der Siegburger Abtei jeden Freitagabend am Schrein des Hl. Anno gesungen. 

Audi salus rerum, Deus: 
Audi tuos sanctos, pius
Anno quibus dat gaudia
Celsa potitus gloria.

Qui flore cuncto splendidus
Est sacra sede præditus,
Quo pollet urbs Colonia
Tali viro plus indita.

Mox fordo quod poscit sacer,
Fit nunc magister nunc pater,
Sed largus erga pauperes
Cælis suas infert opes.

Hunc ignis almus visitans
Missas sacras intermitans
Sancto repletum Pneumate
Hoc indicavit lumine.

Vere beatus pontifex
Qui cælitorum particeps
Cælos apertos corporis
Cordisque vidit visibus.

Te nunc precamur supplices
Nostri misertus da preces,
Ut absoluti noxiis
Reddamur apti præmiis.

Laus, honor, virtus, gloria
Deo Patri et Filio
Sancto simul Paraclito
In sempiterna sæcula. Amen. 

Gott, Heil der ganzen Schöpfung, höre! 
Erhöre die Erlösten dein!
Sankt Anno ihnen Freude schenkt
Aus hoher Himmelsherrlichkeit.

Mit aller Tugend Glanz geziert
Wird ihm der heil’ge Stuhl bereitet,
Den Köln, die mächt’ge Stadt, vergibt,
Weil solchem Mann sie zugetan.

Nach Ford’rung seines heil’gen Amtes
Wird Lehrer, Vater er den Seinen
Und öffnet weit sein Herz den Armen,
Auf daß sein Lohn im Himmel sei.

Er opfernd am Altare stand,
Da senkte sich ein strahlend Licht,
Gab allen Menschen Kunde so,
Daß Gottes Geist ihm eigen war.

Ein sel’ger Bischof in der Tat,
Der Himmelsbürger nun Gefährte;
Des Herzens und des Leibes Augen
Schau’n offen Gottes Herrlichkeit.

Dich rufen wir in Demut an:
Erbarmen schenk‘ doch unsern Bitten!
Daß frei von Sünde wir und Schuld,
Des Himmels Erbteil mit uns sei.

Dir, Vater, und dem Sohn geweiht
Sei Lobpreis, Macht und Ehre,
Dem Tröster gleich, dem heil’gen Geist
Für ewig und für alle Zeit. Amen. 

Text in Mittler 1960, 96-104, hier 104 (Original und deutsche Übersetzung auf derselben Seite).  _______________________________________________________________

4. Devotis oriens (3'04)

„Devotis oriens“ ist ein Hymnus nach Strophen (I/1, IV/1, V/1, VII/1 & VII/8) einer metrischen Anno-Vita (entstanden vor 1183, abgedruckt in in: Ägidius Müller, Anno II. der Heilige, Leipzig 1858, 196-200). Dieser Hymnus wurde von den Siegburger Mönchen am Fest des Hl. Anno gesungen. Die Melodie ist heutzutage nach dem Solesmenser „Antiphonale monasticum“ vor allem als jene des Märtyrer-Hymnus’ „Sanctorum meritis“ bekannt. 

(I/1) Devotis oriens Anno parentibus
 Illustri comitum stemmate prodiit
 Morum nobilitas sic ut originem
 Claro de gremio trahat.

 (IV/1) Quæ vox, quæ poterit lingua retexere
 Annonis fuerit quanta benignitas?
 Christi pauperibus, sicut et advenis
 Se vere exhibuit patrem.

 (V/1) Mons Sigbergiacus se specialibus
 Obstrictum titulis sentit episcopo
 Ejusque eximio cultui dedicat
 Tantum concelebrans virum.

 (VII/1) Princeps Anno bonus visitat impigre
 Subjectæ patriæ templa, sacraria,
 Aras, parochias, sic ut in omnibus
Sit crescens ovium salus. 

(VII/8) Te Trina o Deitas unaque poscimus,
Annonis meritis ut mala subtrahas,
Des pacem famulis, ut Tibi gloriam
Annorum in seriem canant. Amen. 

 Als Kind frommer Eltern ging Anno
 aus einem berühmten Grafengeschlecht hervor,
 so daß den Ursprung des Adels seiner Sitten
 offensichtlich aus der Wiege selbst gewann.

 Welche Stimme, welche Zunge vermöchte auszusprechen,
 wie groß die Güte Annos war?
 Den Armen Christi erwies er sich,
 wie allen, die da zu ihm kamen, als ein wahrer Vater.

 Dem Berg von Siegburg fühlt er sich
 als Bischof in besonderer Art verbunden
 und widmet ihn allein dem Gottesdienst der Männer,
 die ihn dort gemeinsam feiern.

 Der gute Fürst Anno besucht eifrig
 die ihm unterstehenden Kirchen, Heiligtümer,
 Altäre, Pfarren, so daß in Allem
 Das Heil der Schafe wachse.

Dich, dreifache und eine Gottheit, bitten wir,
daß Du durch Annos Verdienste das Böse entfernest,
den Dienern Frieden gebest, so daß sie zu Deinem Ruhm
in der Reihe ihrer Jahre singen. Amen.

Vgl. Antiphonale monasticum pro diurnis horis. […] Ordinis Sancti Benedicti a Solesmensibus monachis restitutum, Paris, Tournai & Rom 1934, 646.   

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Nachfolgende Aufnahmen wurden an der Siegburger Abteiorgel gespielt und aufgenommen. 

1. Versetten (1'28)

Der Track „Versetten“ enthält in Wirklichkeit nur ein Versett (also einen musikalischen Einschub zwischen Versen eines Psalms), nämlich das Versett g-Moll aus dem Werk „Compendium musicæ continens versus et fugas ex octo tonis choralibus pro organo“, das auf den 9. Oktober 1761 datiert ist und von einem Sebastianus Nepos stammt, über den sonst nichts bekannt ist. 

Da kein Adelsprädikat genannt wird, kann er kein Siegburger Mönch gewesen sein; so ist zu vermuten, daß er ein von den Mönchen angestellter Siegburger Musiker war. 

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2. Praeludium C-Dur (4'28)

Der Track „Präludium C-Dur“ enthält in Wirklichkeit die Versetten d-Moll, F-Dur und D-Dur aus derselben Sammlung.

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3. Praeludium D-Dur (4'37)

Der Track „Präludium D-Dur“ enthält in Wirklichkeit die Präludien C-Dur und D-Dur aus derselben Sammlung. An der Siegburger Abteiorgel spielt Wilhelm Precker (*7.1.1929, †16.12.2012), von 1953 bis 1984 Organist von St. Servatius in Siegburg, von 1985 bis 1994 Domkantor und –organist in Köln.